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Neue Standards für die berufsbezogene Eignungsbeurteilung: Die DIN 33430

In Deutschland werden pro Jahr 30 bis 50 Millionen Personalentscheidungen gefällt. Wie das dazugehörige qualitativ hochwertige Verfahren der Eignungsbeurteilung und Personalauswahl auszusehen hat, ist in Experten- und vielen Anwenderkreisen weitgehend bekannt. In Großbritannien und in den Niederlanden wird die Qualität der Personalauswahl seit Jahren durch verschiedene Maßnahmen von Fachgesellschaften gefördert. In Deutschland hingegen waren die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen nur bedingt in Standards umgesetzt, die eine entsprechende Qualität in der Eignungsbeurteilung gewährleisten; die vorhandenen Standards fanden zudem keine Beachtung. Diese Situation hat sich seit 2002 mit der Veröffentlichung der DIN 33430, in der Anforderungen an Verfahren und deren Einsatz bei berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen formuliert sind, grundlegend geändert. Mit der DIN 33430 werden die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen nun allseits nutzbar gemacht.

 

Die Erstellung der DIN 33430 geht auf eine Initiative des Berufsverbandes deutscher Psychologen (BdP) aus dem Jahr 1994 zurück. Am 9. Juni 1997 nahm ein DIN-Ausschuss unter Vorsitz von Prof. Dr. Lutz F. Hornke (Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen) die Arbeit auf. Der Ausschuss wurde mit Vertretern aus Wissenschaft und Praxis, von Unternehmen, Behörden, Verbänden und Verlagen besetzt, um unterschiedliche Interessen zu berücksichtigen. Die Präsidien des BdP und der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) sowie deren Fachkommissionen haben den Entwicklungsprozess konstruktiv unterstützt.

 

Die DIN 33430 umfasst 15 Seiten Text und sieben Seiten Glossar. Sie begreift die Qualitätssicherung in der Personalbeurteilung als Chance, um (a) der Beliebigkeit bei Personalbeurteilungen entgegenzuwirken, (b) seriöse interne Anbieter (z. B. Personalabteilungen) und externe Anbieter (z.B. ein beauftragtes Beratungsunternehmen) zu stärken und (c) Betroffene vor unsachgemäßen Verfahren und Vorgehensweisen der Eignungsbeurteilung zu schützen. Um diese Ziele zu erreichen, wird der gesamte Prozess der Eignungsbeurteilung als eine Einheit gesehen. Die DIN 33430 formuliert daher Anforderungen für (1) die Arbeits- und Anforderungsanalyse, (2) die Auswahl der diagnostischen Strategie und diagnostischen Verfahren, (3) die Durchführung und Auswertung von Verfahren einschließlich der Interpretation der Ergebnisse sowie (4) die Evaluation und Qualitätssicherung. Außerdem (5) berücksichtigt die Norm die Perspektive der zu beurteilenden Personen und formuliert (6) Anforderungen an die Kenntnisse und Erfahrungen der Verantwortlichen und sonstigen Mitwirkenden.

 

In der DIN 33430 werden Qualitätskriterien und -standards sowohl für berufsbezogene Eignungsbeurteilungen als auch für die an der Eignungsbeurteilung beteiligten Personen beschrieben:

 

Die Norm dient:

  • Anbietern von Dienstleistungen (...) als Leitfaden für die Planung und Durchführung von Eignungsbeurteilungen
  • Auftraggebern in Organisationen als Maßstab zur Bewertung externer Angebote im Rahmen berufsbezogener Eignungsfeststellungen
  • Personalverantwortlichen bei der Qualitätssicherung und -optimierung von Personalentscheidungen und
  • dem Schutz der Kandidaten vor unsachgemäßer oder missbräuchlicher Anwendung von Verfahren zu Eignungsbeurteilungen.

 

Damit trägt die Norm bei

  • zur Verbreitung von wissenschaftlich und fachlich fundierten Informationen über Verfahren zur Eignungsbeurteilung
  • zur fachgerechten Entwicklung und zum sachgerechten Einsatz von Verfahren zur Eignungsbeurteilung
  • zur kontinuierlichen Verbesserung der Verfahren zur Eignungsbeurteilung. (DIN 33430, S. 3)

 

Die DIN 33430 fordert konsequenterweise u.a.:

  • dass die zur Eignungsbeurteilung eingesetzten Verfahren auf Grundlage einer Arbeits- und Anforderungsanalyse festgelegt werden
  • dass die Regeln zur Auswertung, Interpretation und Entscheidung vorab festgelegt werden
  • dass für jedes Beurteilungsverfahren (so auch für Interviews und Assessment Center) ausführliche Verfahrenshinweise (Manuale) vorliegen, damit verschiedene, unabhängige Beurteiler in gleicher Weise vorgehen und zu vergleichbaren Ergebnissen und Urteilen kommen können
  • dass die zur Eignungsbeurteilung herangezogenen Normwerte der Referenzgruppe der Kandidaten entsprechen (z. B. ist die Beurteilung von Managern nicht normgerecht, wenn sie anhand von Normentabellen erfolgt, die aus Realschülerdaten abgeleitet wurden)
  • dass die Validität der eingesetzten Verfahren empirisch nachgewiesen ist
  • dass die Kennwerte für die Güte der Verfahren sowie die Normwerte spätestens alle acht Jahre überprüft werden
  • dass der gesamte Prozess der Eignungsbeurteilung, einschließlich der Gütekriterien der Verfahren und der Entscheidungsregeln, nachvollziehbar dokumentiert wird
  • dass die Verantwortlichen und Mitwirkenden Kenntnisse und angeleitete Praxiserfahrung im Bereich der Eignungsdiagnostik aufweisen. Die benötigten Kenntnisse und Erfahrungen sind in der Norm detailliert aufgelistet.

 

Allein schon von der Umsetzung der wenigen hier aufgeführten Beispiele für die in der DIN 33430 formulierten Anforderungen ist eine deutliche Qualitätsverbesserung in der Praxis zu erwarten.

 

Unternehmen können die DIN 33430 im Rahmen ihres - z.B. nach ISO 9000 ff. ausgerichteten - Qualitätsmanagementsystems nutzen. Die ISO 9000 ff. ist ein international abgestimmter Qualitätsmanagement-Leitfaden, in dem branchenneutral Elemente eines Qualitätsmanagementsystems beschrieben und erklärt werden. Auf dieses Fundament können dann die spezifischen Forderungen der DIN 33430 aufgesetzt werden. Für Unternehmen, die sich an die vorgelegte Systematik halten, besteht die Möglichkeit, durch externe Auditierung ein Zertifikat zu erlangen, das auch die Übereinstimmung ihres Qualitätsmanagementsystems in der Eignungsbeurteilung mit der DIN 33430 bestätigt. Dazu gehört, dass die in der Eignungsbeurteilung tätigen Personen durch Prüfungen eine Lizenz erwerben können, die bestätigt, dass sie den in der DIN 33430 formulierten Qualitätsanforderungen an den Auftragnehmer oder an den Mitwirkenden genügen.

 

Die isolierte Zertifizierung von einzelnen Produkten, z.B. ein Test-Gütesiegel, ist aufgrund der DIN 33430 nicht möglich, da es sich um eine Prozess- und nicht um eine Produkt-Norm handelt.

 

Um zu gewährleisten, dass der Stand von Wissenschaft und Technik in die weitere Umsetzung und Anwendung der DIN 33430 einfließt, erarbeitet gegenwärtig das Testkuratorium der Föderation der Deutschen Psychologenverbände (DGPs und BdP) Empfehlungen zu den Inhalten und den Formen der Weiterbildung sowie der normgerechten Lizenzprüfung.

 

Die DIN 33430 kann über den Beuth-Verlag, Berlin, bezogen werden. Eine ausführliche Darstellung der darin enthaltenen Grundsätze, Überlegungen und Schlussfolgerungen findet sich in einem von Hornke und Winterfeld im Spektrum-Verlag Berlin herausgegebenen Buch, das voraussichtlich im Herbst 2003 erscheinen wird.

 

Ansprechpartner:

 

Prof. Dr. Lutz. F. Hornke

Obmann des DIN Ausschusses

Institut für Psychologie der RWTH Aachen

52056 Aachen

eMail: lutz.hornke @psych.rwth-aachen.de

 

Dr. Martin Kersting

Mitglied des DIN Ausschusses - Anwenderperspektive

Deutsche Gesellschaft für Personalwesen

Grassistr. 12

04107 Leipzig

Email: martin @kersting-internet.de

 

Prof. Dr. Helfried Moosbrugger

Vorsitzender des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenverbände

Institut für Psychologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt

60054 Frankfurt am Main

eMail: Moosbrugger @psych.uni-frankfurt.de

 

Prof. Dr. Hannelore Weber

1. Vizepräsidentin der DGPs

über

Geschäftsstelle der DGPs

Postfach 42 01 43

D-48068 Münster

eMail: geschaeftsstelle @dgps.de