Hintergrund und Themenfelder
In den letzten Jahrzehnten lag ein starker Fokus der Psychotherapieforschung auf randomisiert-kontrollierten Studien und Metaanalysen zur Untersuchung der Effektivität von spezifischen Psychotherapieverfahren und -methoden. Dieser Forschungsschwerpunkt hat zwar zur erfolgreichen Etablierung der Psychotherapie im Gesundheitsversorgungssystem geführt, jedoch die Weiterentwicklung von Psychotherapie in der Versorgung relativ wenig beeinflusst. Beispielsweise fallen trotz der nachgewiesenen Wirksamkeit von Psychotherapie bei psychischen Störungen die individuellen Ansprechraten auf evidenzbasierte Psychotherapien sehr unterschiedlich aus, wobei ca. 1/3 der Patientinnen und Patienten nicht ansprechen, einen Rückfall erleiden oder die Behandlung vorzeitig abbrechen. Auch fehlen umfangreiche Datensätze zu den Ergebnissen in der psychotherapeutischen Versorgung sowie zu Prädiktoren oder Mediatoren der Veränderung. Um Psychotherapien zu optimieren und zeitgleich Wirkmechanismen besser zu verstehen, gilt die Anpassung von psychologischen Interventionen an patientenspezifische Charakteristika als vielversprechende Herausforderung, was auch unter den Begriffen Precision Mental Health, Personalized Therapy oder Tailoring Treatments international diskutiert wird.
Personalisierte Psychotherapie verfolgt das Ziel, für jede Patientin bzw. jeden Patienten die bestmögliche psychotherapeutische Behandlung zu gewährleisten und dabei individuelle Faktoren der jeweiligen Person zu berücksichtigen. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in der klinischen Praxis berichten, dass sie ihre Psychotherapien auf die Person abstimmen, welche vor ihnen sitzt, greifen bei der Personalisierung ihrer Therapie jedoch häufig auf ihre klinische Erfahrung, ihr Störungswissen oder ihre Intuition zurück.
Dieses Vorgehen kann nachweislich zu Überschätzungen der Erfolgsraten und Fehleinschätzungen von Symptomveränderungen führen. Ein konkretes Ziel der Interessensgruppe besteht entsprechend darin, Routine Outcome Monitoring (ROM) Systeme wie den Trierer Therapie Navigator (TTN) in Deutschland zu implementieren und zu beforschen, um Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten konkrete und vor allem evidenzbasierte Handlungsempfehlungen für die Auswahl und Anpassung ihres psychotherapeutischen Vorgehens an die Hand geben zu können. Evidenzbasierte personalisierte Psychotherapieforschung lässt sich darüber hinaus methodisch durch Individual-Patient-Data Metaanalysen, randomisiert-kontrollierte Studien mit einem Fokus auf Moderatoren und Mediatoren, Prozessforschung, computational modeling, maschinelles Lernen und die Auswertung großer naturalistischer Datensätze umsetzen.
Ziele der Interessensgruppe
Die Interessensgruppe evidenzbasierte Personalisierte Psychotherapieforschung (ePePsy) verfolgt das übergeordnete Ziel, Psychologinnen und Psychologen aller Berufsstadien und -felder sowie Psychotherapieorientierungen zu verbinden, die sich im Rahmen ihrer wissenschaftlichen und praktischen Tätigkeit in der klinischen Psychologie und Psychotherapie der Entwicklung und Evidenzbasierung der skizzierten personalisierten Psychotherapie widmen. Weitere Informationen finden sich hier: dgpsepepsy.wixsite.com/epepsy
Hierbei soll unser Fokus insbesondere auf die Patientinnen und Patienten gelegt werden, die auf die evidenzbasierten Behandlungen nicht ansprechen, negative Verläufe zeigen oder nicht adäquate Behandlungen erhalten (patients at risk).
Wir möchten gemeinsame Studien initiieren, welche an der individuellen Patientin bzw. dem individuellen Patienten orientiert sind, die zentralen Wirkmechanismen untersuchen, abgesehen von den positiven Effekten auch die negativen Effekte untersuchen, translational große Datensätze generieren, die auch durch idiographische Analysen ausgewertet werden, sowie die Kluft zwischen Forschung und Praxis mindern und damit zu dem derzeit zu Recht ins Zentrum der Forschung rückenden Paradigma der praxisbezogenen Forschung beitragen. Hierbei erscheinen uns sowohl die Förderung von Praxis-Forschungsnetzwerken als auch von Verbundprojekten erstrebenswert.
Da bisher personalisierte Psychotherapieforschung speziell in Deutschland relativ unsystematisch umgesetzt wird, möchte diese Interessensgruppe eine wissenschaftliche und kollegiale Kommunikation bzgl. der Thematik fördern, die gemeinschaftliche Bearbeitung von Themen im Kontext der personalisierten Psychotherapieforschung anstoßen bzw. intensivieren sowie mit dem internationalen Forschungsfeld synchronisieren (insb. in Kooperation mit der International Society for Psychotherapy Research). Dabei ist uns auch unsere gesundheitspolitische Verantwortung gegenüber der Gesellschaft bewusst, sodass wir auf Nachfrage oder bei Indikation gerne auch medial tätig werden.
Organisatorisches
Die Treffen dieser Interessengruppe sollen regelmäßig mindestens einmal im Jahr im Rahmen der Fachgruppentagung stattfinden. Darüber hinaus sollen kleinere Meetings zum Austausch geplant sowie gemeinsame Symposien auf Kongressen organisiert werden (wie es die Gründungsmitglieder auch schon seit einigen Jahren erfolgreich umsetzen, z.B. auf dem DGPs Fachgruppenkongress, dem DGPPN Kongress, dem SPR Kongress und dem EABCT Kongress). In Abstimmung mit der Leitung der Fachgruppe möchten wir uns auf unserer Fachgruppenwebseite darstellen. Hier wollen wir die Ziele, die Agenda und die externen Ressourcen (E-Mail-Listen, slack-channel, twitter-Kanal usw.) sowie das jeweilige Koordinationsteam aufführen.
Eine Mitgliedschaft in der Interessengruppe ist kostenfrei und setzt im Regelfall die Mitgliedschaft in der Fachgruppe „Klinische Psychologie und Psychotherapie“ der DGPs voraus. Sie kann formlos bei der Sprecherin der Interessengruppe beantragt werden.
Kontakt
Koordinationsteam
Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier
Universität Greifswald
Franz-Mehring-Str. 47
17489 Greifswald
Tel.: +49 3834 420 3718
eva-lotta.brakemeier@--no-spam--uni-greifswald.de
Prof. Dr. Wolfgang Lutz
Universität Trier
Am Wissenschaftspark 25+27
54296 Trier
Tel.: +49 (0)6 51 / 201 2883
wolfgang.lutz@--no-spam--uni-trier.de
Weitere Gründungsmitglieder
Prof. Dr. Julia Glombiewski
Universität Koblenz-Landau
Ostbahnstraße 10
76829 Landau
Tel.: +49 6341 280356-45
glombiewski@--no-spam--uni-landau.de
Dr. Tim Kaiser
Universität Greifswald
Franz-Mehring-Str. 47
17489 Greifswald
Tel.: +49 3834 420 3719
tim.kaiser@--no-spam--uni-greifswald.de
Prof. Dr. Julian Rubel
Justus-Liebig-Universität Gießen
Otto-Behaghel-Straße 10
35394 Gießen
Tel.: 0641/99-26380
Julian.Rubel@--no-spam--psychol.uni-giessen.de