Evidenzbasierte Psychotherapie im stationären und teilstationären Setting

Über die Interessengruppe

Evidenzbasierung stellt eine zentrale Säule für die Anerkennung psychotherapeutischer Verfahren für die ambulante Regelversorgung dar. Insgesamt hat sich Psychotherapie für verschiedene Störungsbilder, sowie in unterschiedlichen klinischen Settings als wirksam erwiesen (Cuijpers et al., 2016). Dennoch werden die meisten wissenschaftlichen Studien im ambulanten Setting durchgeführt (Puschner et al., 2004). Dies trägt dazu bei, dass Patient:innenpopulationen mit schweren und komplexen psychischen Störungen in Psychotherapiestudien oft vernachlässigt werden, da diese sich im Vergleich häufiger in stationärer Behandlung befinden. Mittlerweile gibt es einige nennenswerte Studien, die belegen, dass Psychotherapie auch in diesem Setting gut wirksam ist (u.a. Cuijpers et al., 2011; Schefft et al., 2019). Bei den meisten dieser Studien handelt es sich wiederum um randomisierte kontrollierte Studien, in denen Patient:innen mit akuten Symptomen oft ausgeschlossen werden und somit die Versorgungsrealität in den Studien nicht realistisch abgebildet werden kann (Paterson et al., 2018).

Psychotherapie im (teil)stationären Setting muss ebenso auf wissenschaftlicher Evidenz basieren und dabei sowohl die Erkenntnisse aus kontrollierten Studien mit hoher interner Validität als auch Erkenntnisse aus naturalistischen Studien mit hoher externer Validität berücksichtigen. Dabei ist die Evidenzbasierung von Psychotherapie im (teil)stationären Setting insbesondere vor dem Hintergrund der Reform des PsychTHG (BMG, 2019) und der neuen Weiterbildungsordnung von hoher Relevanz. Zukünftig werden angehende Psychotherapeut:innen intensiver als zuvor im stationären und teilstationären psychiatrischen Setting ausgebildet, sodass eine Notwendigkeit zur Sicherstellung leitliniengerechter Behandlung sowie der dafür notwendigen Forschung in diesem Setting besteht.

Im Rahmen der Forschung zu Wirksamkeit von Psychotherapie im (teil)stationären Setting ermöglicht und erfordert die Integration verschiedene Blickwinkel. Da im (teil)stationären Setting die Behandlung verschiedener Patient:innengruppen mit unterschiedlichen Störungsbildern und Symptomschwere in der interdisziplinären Zusammenarbeit stattfindet, schließt die Forschung in diesem Bereich ein breites Spektrum an methodischen Forschungsansätzen und theoretischen Ansätzen ein. So können neben kontrollierten und naturalistischen Forschungsdesigns, Einzel- und Gruppentherapie, sowie das Zusammenspiel mit medikamentöser, Augmentationsstrategien und Komplementärtherapie quantitativ und qualitativ beforscht werden. Hierbei spielt auch die zunehmende Digitalisierung eine gewichtete Rolle. Die Interessengruppe möchte diesem zentralen Behandlungssetting eine größere Relevanz für die Forschung einräumen und seine Sichtbarkeit innerhalb der Fachgruppe, aber auch in anderen beteiligten Berufsgruppen erhöhen und damit einen Beitrag für eine wirksame Behandlung und qualitativ hochwertige Ausbildung des Nachwuchs unseres Fachs beitragen.

Ziele der Interessengruppe

  • Forschungsinteressen bündeln und Synergieeffekte nutzen
  • Vernetzung unter Forschenden fördern, um großangelegte Forschungsprojekte zu ermöglichen
  • Konzepte für Wirksamkeitsstudien im (teil)stationären Setting entwickeln und optimieren
  • Umsetzung von leitliniengerechter Psychotherapie im (teil)stationären Setting fördern
  • Vernetzung von Forschenden und praktisch tätigen Psychotherapeut:innen und Psychiater:innen, sowie langfristig auch die akademische Pflege im (teil)stationären Setting verbessern
  • Sichtbarkeit von evidenzbasierter Psychotherapie für Patient:innen mit schweren und komplexen psychischen Störungen stärken
  • Beitrag zur Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit und Forschung in (teil)stationären Settings durch gezielten Austausch mit allen relevanten Berufsgruppen leisten

Das nächste Treffen der Interessengruppe findet am 5. Oktober 2023 statt.

Um eine gute Vernetzung gewährleisten zu können, wird sich die IG Evidenzbasierte Psychotherapie im (teil)stationären Setting einmal pro Quartal online sowie auf dem Deutschen Psychotherapiekongress treffen. Neben einem generellen Austausch sollen zu den Treffen Interessensvertreter:innen unterschiedlicher Bereiche eingeladen werden.

Kontakt

Dr. rer. nat. Mareike Samaan

Priv.-Doz. Dr. phil. Dr. rer. medic. Kerem Böge

Referenzen

Bundesgesundheitsministerium (BMG; 2019): Moderne Ausbildung für
Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Gesetz zur Reform der
Psychotherapeutenausbildung. Retrieved from
www.bundesgesundheitsministerium.de/psychotherapeutenausbildung.html

Cuijpers, P., Clignet, F., van Meijel, B., van Straten, A., Li, J., & Andersson, G. (2011).
Psychological treatment of depression in inpatients: a systematic review and meta-analysis.
Clinical psychology review, 31(3), 353-360. doi.org/10.1016/j.cpr.2011.01.002

Cuijpers, P., Cristea, I. A., Karyotaki, E., Reijnders, M., & Huibers, M. J. (2016). How
effective are cognitive behavior therapies for major depression and anxiety disorders? A
meta‐analytic update of the evidence. World Psychiatry, 15(3), 245-258.
doi.org/10.1002/wps.20346

Paterson, C., Karatzias, T., Dickson, A., Harper, S., Dougall, N., & Hutton, P. (2018).
Psychological therapy for inpatients receiving acute mental health care: A systematic review
and meta‐analysis of controlled trials. British Journal of Clinical Psychology, 57(4), 453-472.
doi.org/10.1111/bjc.12182

Puschner, B., Haug, S., Häfner, S., & Kordy, H. (2004). Einfluss des Behandlungssettings auf
den Gesundungsverlauf. Psychotherapeut, 49(3), 182-192. doi.org/10.1007/s00278-
004-0369-y

Schefft, C., Guhn, A., Brakemeier, E. L., Sterzer, P., & Köhler, S. (2019). Efficacy of
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Acta Psychiatrica Scandinavica, 139(4), 322-335. doi.org/10.1111/acps.12995