Geschichte der DGPs

Von der „Gesellschaft für experimentelle Psychologie“ zur „Deutschen Gesellschaft für Psychologie“

Gründerzeit

Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie hat ihren Ursprung in einem kleinen Komitee, das von Robert Sommer angeregt und von Georg Elias Müller geleitet wurde. Ziel des Komitees war es, „…einen Kongress für experimentelle Psychologie und die Gründung einer Vereinigung der auf diesem Gebiet Tätigen vor[zu]bereiten“ (s. Traxel, 1985, S. 81). Im Frühjahr 1904 fand dieser Kongress in Gießen statt, auf dem am 20. April die „Gesellschaft für experimentelle Psychologie“ gegründet wurde. Die von den Kongressteilnehmern gewählten Mitglieder des ersten Vorstands waren: G.E. Müller, R. Sommer, H. Ebbinghaus, S. Exner, O. Külpe, E. Meumann und R. Schumann. Als Vorstandsvorsitzender hatte Müller rechtzeitig zum Kongress die Statuten der neuen Gesellschaft verfasst, die in nur acht Paragraphen alles damals Notwendige regelten. Dazu gehörte z. B. in §2 das Aufnahmekriterium einer veröffentlichten „Arbeit von wissenschaftlichem Werte auf dem Gebiet der Psychologie oder deren Grenzgebieten“, oder in §7 die Festlegung, dass der Kongress für die Mitglieder kostenfrei sei und dass (§8) „die Vortrags- und Unterhaltungssprache der Versammlungen ausschließlich die deutsche [ist]“ (Schumann, 1904, S. XXI-XXIII). Die junge Gesellschaft startete mit 85 Mitgliedern und wuchs innerhalb von 10 Jahren auf 200 Mitglieder an. Bedingt durch den Ersten Weltkrieg kam es zu einer Stagnation des Wachstums. In den 20er und 30er Jahren verdoppelte sich die Mitgliederzahl jedoch erneut auf fast 400.

1. Kongress für experimentelle Psychologie in Gießen 1904

Erweiterung und Turbulenzen, Auflösung und Neugründung

Ein Vierteljahrhundert nach ihrer Gründung wurde die Gesellschaft 1929 auf dem Wiener Kongress umbenannt. Bereits seit längerem hatte sich der Wunsch abgezeichnet, die als zu stark empfundene Einengung der Psychologie auf das Experimentelle durch einen allgemeineren Gesellschaftsnamen aufzuheben. Einstimmig entschied man sich für die Bezeichnung „Deutsche Gesellschaft für Psychologie“. Die Umbenennung spiegelt das Zurückdrängen experimenteller und selbst empirischer Ansätze der Psychologie wider. In jener Zeit geriet die Psychologie in eine Krise und verlor an öffentlicher Akzeptanz. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten kam es auch in der Deutschen Gesellschaft für Psychologie zu Turbulenzen: die Mitglieder jüdischer Herkunft wurden ausgeschlossen, andere verließen aus Protest darüber die Gesellschaft. Trotz dieser Mitgliederverluste wuchs die Gesellschaft weiter. So mancher hatte sich mit den neuen Machthabern arrangiert und die Psychologie wandte sich vermehrt den praktischen Aufgaben der Seelenkunde zum Wohle der Volksgemeinschaft zu, insbesondere in Form der Wehrmachtspsychologie. Der „braune“ Kongress 1938 in Bayreuth war schließlich der letzte vor dem Zweiten Weltkrieg. Erst 10 Jahre später, nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reichs“ und der Auflösung der Deutschen Gesellschaft für Psychologie durch die Besatzungsmächte, konnte in Göttingen wieder ein Kongress abgehalten werden. Vorausgegangen waren Neugründungen der Gesellschaft in den einzelnen Besatzungszonen, so durch Gustav Johannes von Allesch (Göttingen) in der britischen und durch Gustav Kafka (Würzburg) in der amerikanischen Besatzungszone. Aus diesen Keimzellen des Neuanfangs wuchs die heutige Deutsche Gesellschaft für Psychologie heran, die inzwischen fast 5000 Mitglieder zählt und 2022 den 52. Kongress ausrichten wird, nachdem der Kongress 2020 in Wien coronabedingt ausfallen wird.

Eine detaillierte Geschichte der Gesellschaft vor dem Zweiten Weltkrieg zu verfassen ist nicht einfach, denn abgesehen von den Kongressberichten existieren keine Akten mehr. Seit dem Zweiten Weltkrieg gelten sie günstigstenfalls als verschollen, sind aber sehr wahrscheinlich durch Kriegseinwirkungen vernichtet worden. Die über 1.000 Aktenordner der Gesellschaft, die nach dem Zweiten Weltkrieg den Wiederanfang und die Entwicklung der Gesellschaft dokumentieren, werden im Adolf-Würth-Zentrum für Geschichte der Psychologie der Universität Würzburg gepflegt und für die Zukunft bewahrt.

Literatur:

Schumann, F.(Hrsg.) (1904). Bericht über den 1. Kongress für experimentelle Psychologie in Gießen vom 18.bis 21. April 1904.

Traxel, W. (1985). Geschichte für die Gegenwart. Vorträge und Aufsätze zur Psychologiegeschichte. Passau: Passavia Universitätsverlag.