Aktuelles

Stellungnahme der Jungmitgliedervertretung der Deutschen Gesellschaft für Psychologie zur Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG)

Vorstand Stellungnahme

Da der Referentenentwurf des BMBF vom 06. Juni 2023 zur Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) unverändert in das Kabinett eingebracht und am 27.03.2024 als Regierungsentwurf beschlossen wurde, möchten wir als Vertretung der Jungmitglieder der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) nochmals auf die für uns kritischen zentralen Punkte hinweisen. Zwar begrüßen wir, dass das BMBF mit dem Referentenentwurf einen Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Planbarkeit der Karrierewege des wissenschaftlichen Nachwuchses anstrebt, sehen jedoch folgende Punkte im 4+2 Modell als höchst problematisch an, ohne deren Bearbeitung die vorgeschlagene Reform eine Verschlechterung statt einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für Nachwuchswissenschaftler*innen in Deutschland darstellt:

  • Innerhalb von vier Jahren nach der Promotion ist keine Qualifizierung für eine Professur möglich. Für den alternativen Qualifizierungsweg Juniorprofessur stehen bislang zu wenige Stellen (insbesondere mit Anschlusszusage) zur Verfügung. Das 4+2 Modell ist daher nur dann ein sinnvoller Kompromiss, wenn die „+2“-Option eher die Regel als die Ausnahme ist. Das erscheint aber aufgrund des folgenden Punktes bisher unrealistisch:
  • Ohne die Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel für die Realisierung der „+2“-Option – einer Anschlusszusage, die mit der Einrichtung von mehr unbefristeten Stellen und der Aussicht auf eine verlässliche, planbare und durch eigene Leistung beeinflussbare Karriereperspektive von Wissenschaftler*innen einhergeht – ist die Reform von vornherein zum Scheitern verurteilt. Dies ist besonders kritisch, da gegenwärtig weder die erforderlichen Tenure-Track-Stellen bereitstehen, noch die finanziellen Ressourcen für die Errichtung dieser Stellen (z. B. entlang eines angestrebten Prozentsatzes). Der zusätzliche Finanzierungsbedarf muss gleichzeitig mit der Gesetzesreform (und nicht erst im Nachhinein) gesichert werden. Hier verweisen wir auf die Möglichkeit, dass die Anschlusszusage durch das Arbeitsrecht des Bundes (Grundgesetz-Artikel 74, Absatz 1, Nr. 12) normiert werden kann (vgl. Pschorr, 2023).
  • Die geplante Übergangsphase der Gesetzesreform von 4 Jahren sehen wir als zu kurz an. Damit werden PostDocs, die bereits im aktuellen System sind und mit den bisher vorgesehenen 6+6 Jahren ihre PostDoc Phase und Karriere geplant haben, unverhältnismäßig benachteiligt, da sie bereits nach 10 oder 11 Jahren das Wissenschaftssystem verlassen müssten, wenn sie keine „+2“-Option erhalten. Im Hinblick auf diese Übergangsphase drängen sich uns einige Fragen auf: Welche theoretischen Erwägungen oder empirischen Daten dienen der Bundesregierung als Grundlage für diesen Vorschlag? Wie viele der derzeit an deutschen Universitäten beschäftigten PostDocs würden mit dieser Regelung nach den 4 Jahren Übergangsphase (frühzeitig) aus dem Wissenschaftssystem ausscheiden? Wie viele Drittmittelprojekte würden durch das (frühzeitige) Ausscheiden von Personal an Qualität einbüßen?

Ein besonders wichtiger Punkt bei der vorgeschlagenen „+2“-Option ist die Zielvereinbarung. Transparente, messbare Zielvereinbarungen ermöglichen die Rechtssicherheit von Anschlusszusagen, die für Beschäftigte und Hochschulen essentiell ist. Daher möchten wir proaktiv darauf aufmerksam machen, dass der Prozess der Ausgestaltung von Kriterien für eine angemessene, fachspezifische Zielvereinbarung unbedingt in enger Abstimmung mit Wissenschaftler*innen erfolgen muss. Gerade die wissenschaftliche Psychologie kennt sich in besonderer Weise mit Leistungsmessung aus, und deren Erkenntnisse sollten daher berücksichtigt werden.
Schon heute können wir beobachten, wie hochqualifizierte Wissenschaftler*innen vermehrt dazu neigen, ins Ausland abzuwandern, wo es bessere Aussichten auf Festanstellungen nach leistungsorientierten Prinzipien oder nach einer festgelegten Zeitspanne gibt. Beispiele hierfür finden sich in Ländern wie den Niederlanden, den USA und Großbritannien. Gleichzeitig sehen wir, dass Wissenschaftler*innen vermehrt alternative Karrierewege außerhalb des wissenschaftlichen Umfelds einschlagen, wo der Anteil befristeter Stellen für Fachleute wie Psycholog*innen erheblich geringer ist als in der Wissenschaft (siehe Antoni, 2019). Dieser Braindrain wird sich ohne verlässliche, planbare und persönlich beeinflussbare Karriereperspektiven für Wissenschaftler*innen, die sich aus der fehlenden finanziellen Ausstattung für die Umsetzung der „+2“-Option ergeben, weiter verstärken. Unsere Universitäten und Hochschulen verlieren somit nicht nur wertvolle theoretische Expertise, sondern auch methodische Kenntnisse sowie langjährig geschulte und eingearbeitete Arbeitskräfte in Forschung, Lehre und Verwaltung.
Zusammenfassend möchten wir betonen, dass eine Reform des WissZeitVG wünschenswert ist, aber gleichzeitig – und nicht erst im Nachgang – vor allem strukturelle Veränderungen umgesetzt und finanziert werden müssen. Ohne die Bereitstellung finanzieller Mittel, die z. B. der Grundfinanzierung der Universitäten und der Einrichtung von Dauerstellen zugutekommen, können die Arbeitsbedingungen und Karrierewege des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland nicht verbessert werden. Bereits in der Vergangenheit haben sich die Jungmitgliedervertreter*innen der DGPs zur Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses und zum WissZeitVG positioniert (siehe frühere Stellungnahmen: www.dgps.de/die-dgps/jungmitglieder/befristung/). Der entsprechende Erfüllungsaufwand sollte unbedingt bereits im Gesetz festgehalten werden!


Bei der Erarbeitung weiterer konkreter Vorschläge bieten wir gerne unsere Unterstützung an.

Kontakt bei Rückfragen:
Dr. Anne Gärtner
Sprecherin der Jungmitglieder der DGPs
Technische Universität Dresden
Fakultät Psychologie, Lehrstuhl Differentielle und Persönlichkeitspsychologie
E-Mail: anne_gaertner@tu-dresden.de

Dr. Lisa Musculus
Jungmitgliedervertreterin DGPs Fachgruppe Sportpsychologie
Deutsche Sporthochschule Köln
Psychologisches Institut, Abteilung Leistungspsychologie
E-Mail: L.Musculus@dshs-koeln.de

Die Stellungnahme steht hier als pdf-Datei zum Download bereit.