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Interview mit Prof. Dr. Tim Klucken

Interview mit Prof. Dr. Tim Klucken anlässlich der Verleihung des Betreuer:innenpreises 2023 verliehen auf dem 2. DPK in Berlin

 

Frage: Guten Tag und vielen Dank für Ihre Zeit. Ich war erstaunt zu hören, dass Sie vor unserem Treffen eine Therapiesitzung hatten. Wie integrieren Sie die verschiedenen Bereiche – wissenschaftliche Arbeit, klinische Tätigkeiten und die Betreuung von Promovierenden - in Ihrem Arbeitsalltag?

Antwort: Das ist in der Tat eine enorme Herausforderung. Ehrlich gesagt, in meiner klinischen Tätigkeit sehe ich nicht mehr 20 Patienten, sondern nur noch ein oder zwei, und das auch unregelmäßig. Daher ist diese Aufgabe zeitlich begrenzt. Ich versuche andere Tätigkeiten, wie die Promotionsbetreuung zu priorisieren.

Frage: Dennoch Sie leben die Kombination von klinischer Arbeit und Forschung vor. Wie empfehlen Sie Ihren Doktorand:innen, diese beiden Aspekte zu integrieren? Gibt es eine bevorzugte Reihenfolge?

Antwort: Ich ermutige meine Doktorand:innen, sich bereits während ihres Studiums Gedanken darüber zu machen, wo sie beruflich hin möchten. Je nach Entscheidung empfehle ich entweder den Beginn einer Promotion, wenn der Weg eher in die Forschung führt, oder den Beginn einer therapeutischen Ausbildung, wenn die Praxis im Vordergrund steht. Es geht darum, frühzeitig eine klare Vorstellung davon zu entwickeln, was einem wichtig ist und dementsprechend den ersten Baustein, sei es die Promotion oder die therapeutische Ausbildung, festzulegen. Im ersten Fall empfehle ich in der Regel, mit der Promotion zu beginnen und im letzten Drittel die psychotherapeutische Ausbildung.

Frage: Wie gestaltet sich die Kommunikation mit Ihren Doktorand:innen? Auf welche Weise sind Sie erreichbar und wie regelmäßig finden Treffen statt?

Antwort: Zu Beginn, insbesondere in den ersten sechs Monaten, halte ich es für wichtig, mich in regelmäßigen Abständen mit ihnen zu treffen. Ich versuche grob gesagt, das einmal pro Woche zu realisieren, auch wenn das nicht immer möglich ist. Während dieser Treffen erkundige ich mich nach dem aktuellen Stand, wo Unterstützung benötigt wird und wie der Plan aussieht. Mit der Zeit, wenn sich die Doktorand:innen sicherer fühlen und die Studien an Fahrt aufnehmen, verringert sich häufig das Bedürfnis nach so regelmäßigen Treffen, das ist dann für alle spürbar. Des Weiteren haben wir regelmäßige Team-Meetings, in denen wir uns alle zwei bis vier Wochen über den aktuellen Stand austauschen.

Frage: Wenn Ihre Doktorand:innen Unterstützung benötigen, welche Art von Unterstützung bieten Sie als Promotionsbetreuer?

Antwort: Die Planung des Experiments oder der Forschung ist sehr wichtig, aber ich glaube, dass zu Beginn der Doktorarbeit die Pilotierung der Studien und damit die erste Erhebung von Daten eine der wichtigsten Phasen ist, um Expertise aufzubauen. Mein Ziel ist es, die Phase davor so kurz wie möglich zu halten, damit die Doktorand:innen so früh wie möglich mit der Pilotierung beginnen können. Das halte ich für sehr wichtig bezüglich ihres Wachstumsprozesses als Forscher:innen. Darüber hinaus stelle ich sicher, dass alle Ressourcen, die durch finanzielle Mittel erworben werden können, zur Verfügung stehen, um den Fortschritt zu beschleunigen. Was das Dissertationsprojekt betrifft, halte ich es für wichtig, ein Thema zu wählen, in dem ich mich auch gut auskenne, um die Arbeit für alle Beteiligten zu erleichtern. Bei konkreten Problemen, z.B. bei der Analyse, kann dann ich oder ein Postdoc aus meiner Abteilung helfen.

Frage: Ist es bei Ihnen Standard, dass die Leute kumulativ promovieren? Wie kann ich mir so einen Schreibprozess vom ersten Paper einer Doktorandin vorstellen?

Antwort: Ja, in der klinischen Psychologie und in der biologischen Forschung ist die kumulative Promotion bei uns eigentlich Standard. Andere Formen der Promotion sind möglich, aber ich betrachte sie eher als eine Notfallstrategie, wenn es beispielsweise darum geht, schnell fertig zu werden. Die kumulative Promotion bietet zwar Flexibilität, erfordert jedoch eine gewisse Struktur. Ich empfehle den Doktorand:innen, zunächst viele relevante Artikel zu lesen und dann mit dem Schreiben zu beginnen. Ich lese die Teile des Papers frühzeitig, nicht erst, wenn das gesamte Paper fertig ist. Zum Beispiel könnten sie mit dem Methodenteil beginnen, der oft als der einfachste Teil betrachtet wird, und dann den Theorie-Teil abschließen. Ich betone, dass sie sich nicht zu lange an einem Teil aufhalten sollten, da es leicht ist, sich in Details zu verlieren. Es ist wichtig, mir die Teile so früh wie möglich zu schicken, um eine effektive Betreuung zu gewährleisten.

Frage: Wie sieht es denn mit der Vernetzung außerhalb der Gruppe aus? Vor allem am Ende der Promotion kann es hilfreich sein, wenn Doktorand:innen auch mal Vorträge halten oder auf Konferenzen fahren.

Antwort: Ich versuche nach Möglichkeit sicherzustellen, dass die Mitglieder meiner Gruppe auf wichtigen Konferenzen vertreten sind und dort Vorträge halten oder Poster präsentieren. Solange die finanziellen Mittel vorhanden sind, um die Teilnahme an Konferenzen zu unterstützen, fördern wir das aktiv. Aus meiner Sicht sind Konferenzen eine der schönen Aspekte der wissenschaftlichen Tätigkeit. Das Networking und der Austausch von Ideen sind von großer Bedeutung.

Frage: Ich erlebe die Forschung als wahnsinnig abwechslungsreiches Arbeitsfeld, gleichzeitig ist man aber auch oft mit sehr vielen organisatorischen Dingen beschäftigt. Wie gelingt es Ihnen, die Aufgaben in Ihrer Arbeitsgruppe so zu verteilen, dass diese Last gemeinsam getragen wird?

Antwort: Da ich verhältnismäßig viele unbefristete Postdocs in meiner Arbeitsgruppe habe, verfolge ich den Ansatz, dass die Personen mit unbefristeten Verträgen mehr organisatorische Aufgaben übernehmen zu lassen. Personen mit Projektstellen versuche ich weitgehend von organisatorischen Belastungen zu befreien. Natürlich steht es jedem frei, sich zusätzlichen Aufgaben zu widmen, wenn es für die individuelle berufliche Entwicklung förderlich ist. Beispielsweise die Betreuung von Abschlussarbeiten oder die Durchführung mündlicher Prüfungen.

Frage: Stellen in der Wissenschaft zu besetzen, scheint derzeit eine Herausforderung zu sein. Wenn Sie potenzielle BewerberInnen von einer Promotionsstelle bei Ihnen überzeugen müssten, was würden Sie ihnen sagen?

Antwort: Ich würde potenziellen BewerberInnen sagen, dass es für mich keinen schöneren Beruf gibt als an einer Universität zu arbeiten. In kaum einem anderen Beruf hat man so viele Freiheitsgrade. Die Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeiten und Gestaltungsmöglichkeiten ist ein großer Vorteil, aber auch die Freiheiten, die man bei Konferenzen und ähnlichen Aktivitäten hat, findet man nur in wenigen anderen Berufen. Zudem hat man oft die Möglichkeit, mit sehr netten und klugen Menschen zusammenzuarbeiten. Ich erlebe die Arbeit als Bereicherung, in der man sich unglaublich viel Wissen aneignet, nicht nur in Bezug auf das spezifische Thema, sondern auch in Bezug auf Strukturierung und Organisation im Allgemeinen. Zudem lernt man viel über Überlastung und wie man Ressourcen geschickt einsetzt. Es ist zwar wichtig zu lernen, auf sich selbst aufzupassen, aber ich finde wirklich, es ist der schönste Beruf.


Trier, 20.10.23
Interview geführt durch: Dr. Antonia Vehlen