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Forschungsprojekt mit Fokus eines invarianten Methodenvergleichs klassischer und alternativer Psychopathiemodelle

Im Dezember 2022 erhielten Lea V. Wunsch (MSH Medical School Hamburg) und Dr. Sabrina Schneider (FernUniversität Hagen) eine Fördersumme in Höhe von 500€ durch die Kooperationsförderung für Jungmitglieder der Fachgruppe Rechtspsychologie der DGPs für das Projekt „Klassische vs. moderne Modelle und Messmethoden für Psychopathie“.

Das Projektvorhaben wurde in Kooperation der Hochschulteams an der MSH Medical School Hamburg mit dem Schwerpunkt Rechtspsychologie sowie an der FernUniversität Hagen im Lehrgebiet Persönlichkeits-, Rechtspsychologie und Diagnostik umgesetzt. Angesichts uneinheitlicher Definitionen und diagnostischer Ansätze des Psychopathie-Konstrukts war es ein Anliegen des Projektes die vielfältigen theoretischen und empirischen Konzeptionen eingehend zu untersuchen. Das Projekt zielte auf einen ersten methodeninvarianten Modellvergleich zwischen einem klassischen und alternativen Psychopathiemodell unter Einbeziehung von Selbst- und Fremdbeurteilungen ab. Dies sollte eine zuverlässigere und validere Erfassung psychopathischer Persönlichkeitsmerkmale ermöglichen. Bei den untersuchten Modellen handelte es sich einerseits um das klassische Vier-Facetten Modell nach Robert D. Hare (4FM; Hare, 1991, 2003), welches Psychopathie anhand der Interpersonellen, Affektiven, Lebenswandel und Antisozialen Facetten erfasst. In Ergänzung dazu wurde das Alternative Modell für Persönlichkeitsstörungen (AMPD; American Psychiatric Association [APA], 2013) des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen (5. Ed., [DSM-5]; APA, 2013) verwendet. Für die diagnostische Erfassung der Psychopathie gemäß dem B-Kriterium des AMPD im DSM-5 ist das Vorhandensein einer antisozialen Persönlichkeitsstörung sowie drei spezifischer Psychopathie-Deskriptoren (Geringe Ängstlichkeit, Geringer Sozialer Rückzug und Suche nach Aufmerksamkeit) vorgesehen. Die Antragstellerin Lea V. Wunsch führte im Rahmen ihrer Masterarbeit das Projekt unter Betreuung von Prof. Dr. Dahlnym Yoon (MSH Medical School Hamburg) und Dr. Sabrina Schneider seitens der FernUniversität Hagen durch. Zur Messung der Psychopathie mittels Selbstbeurteilungen wurde einerseits die Self-Report Psychopathy Scale – Fourth Edition (SRP-4; Paulhus et al., 2016) für das 4FM verwendet und andererseits das Personality Inventory for DSM-5 – Faceted Brief Form (PID-5-FBF; Maples et al., 2015) für das AMPD. Für die Fremdbeurteilung der Psychopathie gemäß 4FM wurden die Psychopathy Checklist: Screening Version (PCL:SV; Hart et al., 1995) und für das AMPD die DSM-5 clinicians’ Personality Trait Rating Form (PTRF; APA, 2013) eingesetzt. Für das Projekt wurden somit umfangreiche klinische Interviews und Erhebungen mittels Fragebögen mit insgesamt 46 Teilnehmern durchgeführt, welche aus einer studentischen Stichprobe (n = 13), der Allgemeinbevölkerung (n = 10) und dem Strafvollzug (n = 23) rekrutiert wurden. Durch die Fördermittel der Fachgruppe Rechtspsychologie konnten Aufwandsentschädigungen für die Teilnahme realisiert werden. Es konnten erste Hinweise aufgezeigt werden, dass Überschneidungen zwischen dem 4FM und den maladaptiven Persönlichkeitsfacetten des AMPD zu bestehen scheinen. Anhand der durchgeführten Korrelationsanalysen zeigten sich statistisch signifikante moderate bis starke Zusammenhänge für die Domäne Antagonismus in der Fremdbeurteilung im Zusammenhang mit der Interpersonellen (r = .72, p < .01, N = 46) und Affektiven Facette (r = .45, p < .01, N = 46). Für die Selbstbeurteilung der Antagonismus Domäne zeigten sich ähnliche Effektstärken für die Interpersonelle Facette (r = .41, p < .01, N = 46) und die Affektive Facette (r = .81, p < .01, N = 46). Unter Betrachtung der Domäne der Enthemmtheit zeigten sich in der Fremdbeurteilung starke Assoziationen mit der Lebenswandel-Facette (r = .65, p < .01, N = 46) und der Antisozialen Facette (r = .66, p < .01, N = 46). Weiterhin zeigte sich in der Selbstbeurteilung der Domäne der Enthemmtheit, dass eine moderate bis starke Korrelation für die Facette Lebenswandel (r = .64, p < .01, N = 46) und Antisozial (r = .33, p < .05, N = 46) vorlag. Für den angenommen Unterschied in der Stärke des Zusammenhangs zwischen Selbst- und Fremdbeurteilung wurde die statistische Prüfung mittels Steigers Z-Test (Steiger, 1980) adaptiert nach Dunn und Clark’s z (1969) durchgeführt. Dieser zeigte lediglich für die Antisoziale Facette mit der Domäne der Enthemmtheit einen statistisch signifikanten Unterschied der verwendeten Methoden auf (z = -2.36, p < .05). Für den Zusammenhang der drei Psychopathie-Deskriptoren des AMPD in Verbindung mit den Facetten des 4FM konnten nur unzureichende Konvergenzen aufgezeigt werden. Die Erkenntnisse aus dem durchgeführten Forschungsvorhaben legen nahe, dass zusätzliche Forschung notwendig ist, um eine einheitliche Konzeptualisierung zur Erfassung von Psychopathie zu erarbeiten. Ebenso sollte die weitere Untersuchung des AMPD hinsichtlich seiner prognostischen Validität für die Erfassung von Psychopathie vorangetrieben werden. Das Projekt konnte somit einen Beitrag zu einem vertiefenden Verständnis der verwendeten Psychopathiemodelle leisten und weitere Anreize für zukünftige Forschungsvorhaben der Validierung des AMPD in der diagnostischen Erfassung der Psychopathie bieten.

Literatur:

American Psychiatric Association. (2013). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (5th ed.). American Psychiatric Association. doi.org/10.1176/appi.books.9780890425596

Dunn, O. J., & Clark, V. (1969). Correlation coefficients measured on the same individuals. Journal of the American Statistical Association, 64(325), 366–377. doi.org/10.2307/2283746

Hare, R. D. (1991). Manual for the Hare Psychopathy Checklist-Revised. Multi-Health Systems.

Hare, R. D. (2003). The Hare Psychopathy Checklist-Revised (2nd ed.). Multi-Health Systems.

Hart, S. D., Cox, D. N., & Hare, R. D. (1995). Manual for the Hare Psychopathy Checklist: Screening Version. Multi-Health Systems.

Maples, J. L., Carter, N. T., Few, L. R., Crego, C., Gore, W. L., Samuel, D. B., Williamson, R. L., Lynam, D. R., Widiger, T. A., Markon, K. E., Krueger, R. F., & Miller, J. D. (2015). Testing whether the DSM-5 personality disorder trait model can be measured with a reduced set of items: An item response theory investigation of the Personality Inventory for DSM-5. Psychological Assessment, 27(4), 1195–1210. doi.org/10.1037/pas0000120

Paulhus, D. L., Neumann, C. S., Hare, R. D., Williams, K. M., & Hemphill, J. F. (2016). Self-Report Psychopathy Scale - Fourth Edition (SRP-4). Multi-Health Systems.

Steiger, J. H. (1980). Tests for comparing elements of a correlation matrix. Psychological Bulletin, 87(2), 245–251. doi.org/10.1037/0033-2909.87.2.245