Studium: Sportpsychologie

Die Sportpsychologie beschäftigt sich mit dem menschlichen Erleben und Verhalten im sozialen und sportlichen Kontext. Zentrale Bereiche, auf die sich die Sportpsychologie bezieht, sind die Entwicklungspsychologie, die Motivations- und Lernpsychologie sowie die Sozialpsychologie.

Was lernen Studierende im Fach Sportpsychologie?

Die Studierenden lernen, dass Sport mehr ist als die Aktivität größerer Muskelgruppen. Sport ist beispielsweise “the brains biggest challenge“ (Walsh, 2014): Kaum eine andere Tätigkeit stellt so hohe Anforderungen an das menschliche Gehirn wie der Leistungssport. Er verlangt beispielsweise komplexe Wahrnehmungsprozesse, umfangreiche Gedächtnisleistungen und erhebliche Selbstkontrollanforderungen. Sport ist außerdem ein “health booster“ mit sehr deutlichen Auswirkungen auf die mentale (z.B. Wohlbefinden, Stress, Depressivität) und körperliche (z.B. verringertes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen) Gesundheit, inklusive einer höheren Lebenserwartung.
Die Studierenden lernen die Sportpsychologie als empirische Wissenschaft kennen, „die die Bedingungen, Abläufe und Folgen der psychischen Regulation sportlicher Handlungen untersucht und daraus Möglichkeiten ihrer Beeinflussung ableitet“ (Nitsch 1978, S. 6). Die Sportpsychologie beantwortet individuell und gesellschaftlich bedeutsame Fragestellungen und zieht hierzu Konzepte und Methoden der Kognitions-, Emotions-, Motivations, Sozial- und Persönlichkeitspsychologie und der Neurowissenschaften heran (Schüler et al., 2020), um beispielweise Antworten auf folgende Fragestellungen zu finden:  

  • Wie kann die Pandemie der körperlichen Inaktivität bekämpft werden?
  • Wieviel Sport muss für welche gesundheitlichen Effekte getrieben werden?
  • Führt Sport zu einer besseren Gedächtnisleistung bei Älteren und finden sich funktionelle oder strukturelle Veränderungen im Gehirn?
  • Wirken Sport und Bewegung antidepressiv und anxiolytisch?
  • Warum versagt wer in Drucksituationen im Leistungssport?
  • Wie trifft man besser ins Tor – Wenn man versucht zu treffen oder vermeiden will, daneben zu schießen?
  • Nützen Selbstgespräche (self-talk) und Visualisierungen für die Ausdauerleistung und wie müssen diese gestaltet sein?
  • Wie werden Informationen in komplexen Spielsituationen verarbeitet?
  • Wie kann Anstrengung im Sport gemessen werden?
  • Wie können Unterrichtskontexte gestaltet werden, damit sie die Motivation zum Sport erhöhen?
  • Wie funktioniert motorisches Lernen?

Fragen wie diese adressieren die Themenfelder Gesundheit, Leistung und den Schulsport. Forschungsmethodisch erwartet die Studierenden ein multimethodischer Zugang beginnend bei Befragungen, über qualitative Interviews, exakten Leistungsmessungen im Labor, bis hin zu neurowissenschaftlichen Zugängen.
Ebenso verlockend ist eine häufig interdisziplinäre Perspektive auf Phänomene beispielsweise aus den zusätzlichen Augen der Trainings- und Bewegungswissenschaft, der Sportsoziologie oder Sportmedizin.

Wofür braucht man das Gelernte im späteren Berufsalltag?

  • Sportpsycholog*innen unterstützen Sportler*innen, kognitive Trainings effizient einzusetzen, um zu einer Leistungsüberlegenheit zu kommen, wenn es auf Spitzenleistung ankommt.
  • Sportpsycholog*innen schulen Trainer*innen darin, das Phänomen der Trainingsweltmeister*in (Erbringen exzellenter Leistungen in Trainings-, aber Versagen in Wettkampfsituationen) zu verstehen, und helfen dabei diesem entgegenzuwirken.
  • Sportpsycholog*innen entwickeln Gesundheitsinterventionen und nutzen dabei ihr Wissen, wie Verhaltensänderung im Sport (meist zu mehr Sport und Bewegung) funktioniert.
  • Sportpsycholog*innen schulen Sportlehrpersonen in ihrem Wissen, wie motorisches Lernen funktioniert und wie Schüler*innen intrinsische Motivation für Sport entwickeln, und wie dies im Unterricht, aber auch für die außerschulische Sportförderung eingesetzt werden kann.

Welches interessante psychologische Experiment ist typisch für Sportpsychologie?

Die Analyse von social facilitation (soziale Erleichterung) - also die Steigerung der motorischen oder sportlichen Leistung durch die Anwesenheit anderer - verbindet die sozialpsychologische Perspektive direkt mit motorischen Leistungskriterien und geht zurück auf ein Experiment von Norman Triplett (1898), das häufig als das erste sportpsychologische Experiment bezeichnet wird. Experimentelle Studien, in denen dieselbe motorische Aufgabe einmal bei Anwesenheit einer oder mehrerer weiterer Personen oder alleine durchgeführt werden muss, zeigen, dass Aufgaben, bei denen mit Anstrengung gute Leistung erzielt werden können (z.B. Durchhalten bei einer Kraftausdaueraufgabe), von der Anwesenheit anderer Personen profitieren, während die Leistung bei koordinationsbasierten Aufgaben (z.B. technisch anspruchsvolle Bewegungsausführung) häufig durch die Anwesenheit anderer verringert wird (Strauss, 2002). Metaanalysen überprüfen diese Befunde, analysieren Moderatoren und beleuchten den Stand der Theorie zur sozialen Erleichterung sowie experimentelle Einschränkungen in diesem Forschungsbereich (van Meurs et al., 2022). Darüber hinaus werden Daten aus dem Leistungssport analysiert, um die Generalisierbarkeit der Theorie zu prüfen (Heinrich et al., 2021).

Was sind die aktuellen Hot Topics des Faches? Woran wird derzeit geforscht?

  • Mentale Gesundheit im Sport
  • Neurowissenschaftliche Grundlagen von Sport und Bewegung
  • Dynamische Interaktionen psychologischer und physischer Systeme
  • Förderung körperlicher Aktivität
  • Versagen unter Druck

Warum haben Sie persönlich sich für dieses Fach entschieden? Was fasziniert Sie?

Julia Schüler (Beisitzerin der FG Sportpsychologie): Sport ist Freude, Spiel, Kampf, Willenskraft, Miteinander, Niederlage und Sieg– also das, was das menschliche Leben ausmacht – meistens in extremerer, konzentrierterer, aber vor allem spielerischer Form. Als Sporttreibende*r und Forscher*in also ein fantastisches Feld, um Motivation und Emotion zu erleben und zu erforschen.
Rouwen Cañal Bruland (Sprecher der FG Sportpsychologie): Als früher aktiver Fußballer habe ich mich oft gefragt, wie es zu bestimmenten Leistungen und/ oder Entscheidungen kam. Zum Beispiel fragte ich mich, warum einige Mitspieler oftmals und wiederkehrend sehr gute Entscheidungen trafen, wohingegen anderen dies weniger gut gelang; oder warum manche beim Elfmeterschießen mit dem Druck sehr gut zurechtkamen und andere wiederum nicht. Im Studium habe ich dann viele weitere sportpsychologische Themen kennenlernen dürfen, wobei mich zunächst die sozialpsychologischen Fragestellungen, z.B. zum Zusammenhang von Gruppenkohäsion und Teamleistung, besonders interessierten. Heute begeistern mich vermehrt wahrnehmungs- und kognitionspsychologische Fragestellungen im Kontext motorischer Leistung und motorischen Lernens.

Literatur:

Heinrich, A., Müller, F., Stoll, O. & Cañal-Bruland, R. (2021). Selection bias in social facilitation theory? Audience effects on elite biathletes’ performance are gender-specific. Psychology of Sport and Exercise, 55, 101943.
Nitsch, J. R. (1978). Zur Lage der Sportpsychologie. In J. R. Nitsch & H. Allmer (Hrsg.), Sportpsychologie – Eine Standortbestimmung
(S. 1–11). Köln: bps.
van Meurs, E., Greve, J., Strauss, B. (2022). Moving in the presence of others – a systematic review and meta-analysis on social facilitation. International Review of Sport & Exercise Psychology. DOI: 10.1080/1750984X.2022.2111663
Schüler, J., Wegner, M., & Plessner, H. (Hrsg) (2020). Sportpsychologie: Grundlagen und Anwendung. Cham: Springer.
Strauss, B. (2002). Social facilitation in motor tasks: A review of research and theory. Psychology of Sport and Exercise, 3, 237–256.
Triplett, N. (1898). The dynamogenic factors in pacemaking and competition. American Journal of Psychology, 9, 507–533.
Walsh, V. (2014). Is sport the brain's biggest challenge? Current Biology, 24(18), R859-R860.